Zusammenfassung und Redebeiträge der Demo in Gedenken an Ferhat Mayouf

Rede von ( speech from) Benjamin Düsberg

Oury Jalloh, wir wissen es inzwischen alle, das war Mord. Nur die die deutsche Justiz hat das nie anerkannt, weil die Täter deutsche Polizisten waren und das Opfer eine Schwarze Person. Ferhat Mayouf – das war mörderische Gleichgültigkeit. Nur die deutsche Justiz will das erneut nicht anerkennen, weil die Täter deutsche Justizbeamte waren und das Opfer wieder eine Person of Colour.

Ferhat Mayouf war zu sehr Mensch, zu lebendig, um sich mit den unmenschlichen Haftbedingungen von 21 oder mehr Stunden Einschluss in der Moabiter Untersuchungshaft einfach abfinden zu können – er verzweifelte an der Unfreiheit. Ich habe Ferhat Mayouf als einen lebensfrohen Menschen mit einem unbändigen Freiheitswillen kennengelernt. Er wollte nicht sterben, er wollte leben, doch er stieß an die engen Moabiter Mauern und Gitter und geriet an ignorante Justizbeamte, denen sein Wohlergehen und sogar sein Überleben egal waren.

Im Haftprüfungstermin am 20. Juli 2020 beantragten wir seine sofortige Freilassung, denn der Termin kam eine Woche zu spät. Die sofortige Freilassung wurde – entgegen den Vorgaben des Landesverfassungsgerichts in Fällen des Überschreitens der Zweiwochenfrist zur Durchführung einer mündlichen Haftprüfung – abgelehnt. Ferhat Mayouf wies in dem Termin darauf hin, schwere Depressionen zu haben, was in dem Protokoll vermerkt wurde.
Diese Eintragung wurde in der JVA Moabit schlicht ignoriert. Ferhat sah keinen Arzt, keine Psychologin mehr. Vier Tage später war er tot.
In der Nacht seines Versterbens, berichtet ein Mitgefangener, schrie er noch mehrfach nach Tabak, wird jedoch von den alarmierten Beamten ignoriert. Verhält sich so ein Mensch, der sterben will?
Ferhat Mayouf ist verzweifelt, legt offenbar kurz danach in seiner Zelle Feuer, um auf seine Not aufmerksam zu machen; es ist kein offen loderndes Feuer, sondern ein Schwelbrand. Trotzdem öffnen die Beamten nicht, sondern entscheiden, die Tür nicht zu öffnen und auf das Eintreffen der Feuerwehr zu warten. Vier Beamte vor seiner Zellentür, von denen keiner ein Herz für das Leben Ferhat Mayoufs besaß.

Vergleichbare Fälle gibt es häufiger: Da gehen Beamte mit Vollschutz und Feuerlöscher in die Zelle rein, löschen und retten. Warum ist das vorliegend nicht passiert? Es vergehen stattdessen wertvolle 27 Minuten, während derer, davon gehen wir aus, Ferhat Mayouf gestorben ist.

Stellen wir uns Eltern vor, die ihr Kind bestrafen, nachdem es etwas Verbotenes getan hat. Sie sperren es ein, das Kind schreit, es protestiert, es verzweifelt, während die Eltern es ignorieren. Irgendwann hält es das Kind nicht mehr aus. Es beginnt zu zündeln, im Zimmer beginnt es zu brennen. Die Nachbarn entdecken den Rauch, alarmieren die Eltern. Diese rennen zur Zimmertür – und entscheiden, diese nicht zu öffnen und stattdessen auf das Eintreffen der Feuerwehr zu warten? Was würden wir von solchen Eltern denken? Würde in einem solchen Fall das Ermittlungsverfahren eingestellt? Wohl kaum.

Der Vergleich mag hinken, aber an der entscheidenden Stelle tut er dies nicht. Wie die Eltern eines Minderjährigen qua Gesetz Schutzpflichten für dieses tragen, gilt dies ebenso für die JVA und ihre Angestellten in Bezug auf die Gefangenen. Diese werden einer totalen Institution unterworfen, in der Freiwilligkeit, freie Entscheidungen nicht vorgesehen sind und nicht mehr existieren.

Die Schutzpflicht der Beamten für die körperliche Unversehrtheit der Gefangenen ist die Kehrseite des vollständigen Autonomieentzugs, denen die Gefangenen unterworfen werden und welcher dazu führt, dass Selbsthilfe nicht mehr möglich ist. Ferhat Mayouf konnte die Tür nicht öffnen – lediglich die Beamten, die mit dem Schlüssel davor standen. Sie waren daher zum Eingreifen verpflichtet. Und dies wäre auch ohne größere Eigen – oder Fremdgefährdung möglich gewesen. Alles spricht für ein Feuer von niedriger Intensität mit geringer Sauerstoffzufuhr, also für einen sogenannten Schwelbrand – das wissen wir aus dem eingeholten Brandgutachten und davon Zeugen die Bilder aus der Zelle, aus denen hervorgeht, dass weder das Mobiliar noch der Körper von Ferhat Mayouf vom Feuer erheblich versehrt wurden, umgekehrt aber eine starke Verrußung zu erkennen ist. Ferhat Mayouf ist nicht verbrannt, sondern erstickt.

Was tut also die Staatsanwaltschaft? Erstmal gar nichts, mehr als 2 Jahre lang. Dann formulieren wir eine Strafanzeige, Ermittlungen werden endlich eingeleitet, Kay Schedel wird endlich vernommen, neue Fotos tauchen in der Akte auf, die ebenfalls davon zeugen, dass es sich nicht um ein besonders schweres Feuer handelte. Kay Schedel wiederholt seine Aussage, der gemäß wahrscheinlich Ferhat Mayouf noch laut um Hilfe gerufen habe, als die Beamten schon vor seiner Tür standen. Kay Schedel nennt die Namen der unmittelbaren Mitgefangenen und Zellennachbarn von Ferhat Mayouf. Doch trotzdem hält es die Staatsanwaltschaft nicht für nötig, diese zu vernehmen, obwohl dies doch das Naheliegendste gewesen wäre! Die Vernehmung der unmittelbarsten Zeugen wird unterlassen. Nie würde die Staatsanwaltschaft ihre sonstigen Ermittlungen in Fällen von Kapitaldelikten so nachlässig führen.

In diesem Fall, in welchem die Beschuldigten Staatsbeamte sind, soll offenbar die schützende Hand ausgebreitet werden und selbst auf der Hand liegende Ermittlungen werden nicht durchgeführt. Wir haben dagegen Beschwerde eingelegt und werden dies weiterverfolgen.
Wie begründet die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens ansonsten?

Die Kausalität zwischen dem Nichtöffnen der Tür und dem Versterben von Ferhat sei nicht nachweisbar – dieses Argument ist jedoch verkehrt.
Hätte Ferhat noch geschrien, als die Beamten vor der Tür standen, wie die Aussage von Kay Schedel nahelegt, dann läge die Ursächlichkeit des Unterlassens auf der Hand.

Doch auch wenn – wie die Beamten behaupten – nichts mehr von zu hören gewesen wäre, würde daraus nicht folgen, dass Ferhat bereits verstorben war. Bei Rauchgasvergiftungen liegt der Todeseintritt regelmäßig (je nach Kohlenmonoxid-Konzentration) zeitlich deutlich nach dem Eintritt der Bewusstlosigkeit. Es ist also auch in diesem Falle sehr wahrscheinlich, dass Ferhat noch lebte und lediglich bewusstlos war, als die Beamten vor seiner Tür standen und nichts von ihm gehört haben wollen. Auch dann ist also die Ursächlichkeit des Versterbens durch das lange Warten auf die Feuerwehr sehr wahrscheinlich. Es besteht ein entscheidender Unterschied von 5 Minuten zu 27 Minuten.

Doch selbst wenn die Ursächlichkeit des Unterlassens am Ende nicht nachweisbar sein sollte: Es wäre juristisch dann jedenfalls als ein versuchtes Tötungsdelikt einzuordnen. Denn sein Tod wurde durch die Beamten billigend in Kauf genommen. Die bloße Tatsache des Nicht -Öffnens, des sich Nicht-Bemühens zeigt doch, dass den Beamten das Leben vorn Ferhat Mayouf gleichgültig war.

Wir verlangen daher weitere Ermittlungen und Anklageerhebung gegen die verantwortlichen Beamten. Es lebe Ferhat Mayouf. Auf das sich solche Verbrechen durch deutsche Staatsbeamte nicht wiederholen.


Oury Jalloh, we all know by now, that was murder. Only the German justice system never recognized it, because the perpetrators were German police officers and the victim was a black person. Ferhat Mayouf – that was murderous indifference. Only the German justice does not want to recognize that again because the perpetrators were German judicial officers and the victim was again a person of color.

Ferhat Mayouf was too much a human being, too much alive, to simply accept the inhumane conditions of 21 or more hours of confinement in Moabit pre-trial detention – he despaired of the lack of freedom. I got to know Ferhat Mayouf as a person with a joy for life and an irrepressible will for freedom. He did not want to die, he wanted to live, but he came up against the narrow Moabit walls and bars and ran into ignorant judicial officials who did not care about his well-being or even his survival.
In the detention hearing on July 20, 2020, we requested his immediate release, because the hearing was a week late. The immediate release was rejected – contrary to the requirements of the State Constitutional Court in cases of exceeding the two-week deadline for conducting an oral detention review. Ferhat Mayouf indicated in the appointment that he had severe depression, which was noted in the protocol. This entry was simply ignored at JVA Moabit. Ferhat did not see a doctor or a psychologist anymore. Four days later he was dead.

On the night of his death, a fellow inmate reports, he cried out for tobacco several more times, but is ignored by the alarmed officers. Is this how a person who wants to die behaves?

Ferhat Mayouf is desperate, apparently setting fire to his cell shortly afterwards to draw attention to his distress; it is not an open blazing fire, but a smoldering fire. Despite this, the officers do not open the door, instead deciding to wait for the arrival of the Fire Brigade. Four officers in front of his cell door, none of whom had a heart for Ferhat Mayouf’s life.
Comparable cases are more frequent: officers with full protection and fire extinguishers enter the cell, extinguish and save. Why didn’t that happen in this case? Instead, a valuable 27 minutes passed during which, we assume, Ferhat Mayouf died.

Let’s imagine parents who punish their child after it has done something forbidden. They lock it up, the child screams, it protests, it despairs, while the parents ignore it. At some point, the child can’t take it anymore. He starts to set fire to the room, it begins to burn. The neighbors discover the smoke and alert the parents. They run to the door of the room – and decide not to open it and wait for the fire brigade to arrive instead? What would we think of such parents? Would the investigation be dropped in such a case? Probably not.

The comparison may limp, but at the crucial point it does not. Just as the parents of a minor are obligated by law to protect the minor, the same applies to the prison and its employees with regard to the prisoners. They are subjected to a total institution in which voluntariness and free decisions are not provided for and no longer exist.

The officials‘ duty to protect the physical integrity of the prisoners is the flip side of the complete deprivation of autonomy to which the prisoners are subjected and which leads to the fact that self-help is no longer possible. Ferhat Mayouf could not open the door – only the officers standing in front of it with the key. They were therefore obliged to intervene. And this would have been possible without any major danger to themselves or others. Everything speaks for a fire of low intensity with low oxygen supply, i.e. for a so-called smoldering fire – we know this from the obtained fire expert opinion and the pictures from the cell, which show that neither the furniture nor the body of Ferhat Mayouf were significantly damaged by the fire, but conversely a strong sooting can be recognized. Ferhat Mayouf was not burned, but suffocated.

So what does the prosecution do? First of all, nothing, for more than 2 years. Then we write a criminal complaint, investigations are finally initiated, Kay Schedel is finally questioned, new photos appear in the file, which also testify that it was not a particularly severe fire. Kay Schedel repeats his statement, according to which Ferhat Mayouf was probably still calling loudly for help when the officers were already at his door. Kay Schedel gives the names of Ferhat Mayouf’s immediate fellow prisoners and cell neighbors. But nevertheless the prosecution does not consider it necessary to interrogate them, although this would have been the most obvious thing to do! The questioning of the most direct witnesses is omitted. The public prosecutor’s office would never conduct its other investigations in cases of capital offenses so carelessly.

In this case, in which the defendants are state officials, the protective hand is obviously to be extended and even obvious investigations are not carried out. We have filed a complaint against this and will pursue this further.
How else does the public prosecutor’s office justify the dropping of the proceedings?

The causality between the non-opening of the door and Ferhat’s death could not be proven – but this argument is wrong.
If Ferhat had still been screaming when the officers were standing in front of the door, as Kay Schedel’s testimony suggests, then the causality of the neglect would be obvious.

But even if – as the officials claim – nothing more would have been heard of, it would not follow from this that Ferhat had already died. In the case of smoke poisoning, the onset of death is regularly (depending on the carbon monoxide concentration) well after the onset of unconsciousness. It is therefore also very likely in this case that Ferhat was still alive and merely unconscious when the officers were at his door and did not want to have heard anything from him. So even then, the causation of death by the long wait for the fire brigade is very likely. There is a crucial difference of 5 minutes to 27 minutes.

But even if the causality of the neglect should not be provable in the end: It would then be legally classified as an attempted homicide in any case. Because his death was accepted by the officials approvingly. The mere fact of not opening, of not making an effort shows that the officials were indifferent to the life of Ferhat Mayouf.

We therefore demand further investigation and indictment of the responsible officials. Long live Ferhat Mayouf. On that such crimes by German state officials do not repeat themselves.