Auswertung zum Polizeiangriff auf die LL-Demo

Zum Polizeiangriff auf die diesjährige LL-Demo schreibt das “Fight and Remember”-Bündnis in seiner Auswertung:

Am Sonntag fanden sich schließlich um die 3.000 Menschen zusammen, um an die von der Reaktion ermordeten Revolutionär:innen zu erinnern. In Anbetracht der Pandemie war dies ein Mobilisierungserfolg und zeigt uns, dass die Ideen von Rosa & Karl auch heute noch sehr lebendig sind. Allerdings sind auch die Staatsgewalt und die von ihr ausgehende Repression leider sehr lebendig geblieben. Kurz nach 10 Uhr stürmten mehrere Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) der Berliner Polizei ohne Vorwarnung unter massiver Gewaltanwendung in die Demonstration und zogen mehrere Personen aus der Menge. Im Gegensatz zur späteren Darstellung der Polizei gab es keine Durchsagen im Vorfeld. Lediglich an der Demospitze wurde auf das angebliche Tragen von so genannten “verfassungsfeindlichen Symbolen” hingewiesen, ohne dies zunächst weiter auszuführen. Die in Gewahrsam genommenen wurden teils unter Anwendung von Schmerzgriffen an Handgelenken und im Gesicht aus der Menge gezogen und zu Gefangenentransportern gebracht. Einzelne Personen wurden davor noch von Polizeibeamt:innen am Boden liegend mit Tritten und Schlägen misshandelt. Insgesamt konnte sich die Demonstration trotz dieses Angriffs spontan verteidigen – allerdings zu dem Preis teils schwerer Verletzungen und weiterer Festnahmen. Die Menge wurde dabei zusammengedrängt, was die Polizei zu der zynischen Durchsage verleitete, es sollen die Abstände eingehalten werden. Dass dies zeitweise nicht möglich war, ist eben jener Polizei anzurechnen, nicht dem Unwillen der Demonstrant:innen. Es handelte sich also auch in diesem Sinne um einen Angriff auf unsere Gesundheit. Verwunderlich ist, dass der Angriff bereits mit Aufstellung der Demo erfolgte, was ein Novum darstellt. Deeskalation und Verhältnismäßigkeit sieht anders aus.

Juristisch rechtfertigt die Polizeiführung unter Barbara Slowik das Vorgehen mit der Behauptung, die FDJ und ihre Symbole seien verboten. So sagte die Polizeipräsidentin Slowik im Abgeordnetenhaus aus, dass das Emblem der FDJ (Ost) dem der der FDJ (West) ähneln würde und deshalb der “Anfangsverdacht” bestanden habe, dass es sich auf der LL-Demo um die Symbole der verbotenen FDJ (West) handelt. Hier wurde durch Polizeiführung und Staatsanwaltschaft wider dem Einigungsvertrag gehandelt, nach dem in der DDR legale Organisationen weiterexistieren dürfen – inklusive der FDJ (Ost). Das gilt mindestens auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, auf dem die Demonstration ausschließlich stattfand. Aber auch auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik ist die FDJ nicht einfach verboten, jedenfalls ist die Lage nicht so eindeutig. Die Bundesregierung verweist in einer Anfrage auf der Bundespressekonferenz auf die Justizministerien der Länder. Dass diese mit ihrem Versuch, eine Kriminalisierung mit Verweis auf das Vereinsverbot auch scheitern können, zeigt ein Gerichtsverfahren in München 2015, bei dem eine Person, die ein FDJ-Emblem zeigte, freigesprochen wurde. FDJ (West) und FDJ (Ost) sind eben äußerlich nicht zu unterscheiden und so gelte “im Zweifel für den Angeklagten”. Ein Sonderrecht für die “neuen Länder” gibt es also eigentlich nicht.

Nach dem Hinweis auf das fehlende Verbot der FDJ (Ost) durch den Linksparteipolitiker Nik Schrader im Abgeordnetenhaus musste die Polizeipräsidentin entsprechend auch zurückrudern und verwies dann darauf, dass die Demoteilnehmer:innen gegen das Uniformierungsverbot auf Demonstrationen verstoßen hätten – eine Begründung, die offenbar erst Relevanz besaß, als das ursprüngliche Argument nicht mehr erfolgversprechend schien. Es wird dabei von 30 Personen auf einer 3000 Menschen Demonstration geredet. Hier versucht die Polizei offensichtlich, ihr juristisch falsches Vorgehen nachträglich zu rechtfertigen.

Dass sich die Berliner Polizei bisher für die FDJ wenig bis gar nicht interessiert hat, zeigt das Auftreten der FDJ im letzten Jahr. Unter anderem lief diese bei der “Deutschlands ist Brandstifter” – Demo mit. Auch veranstaltete die FDJ am 3. Oktober eine eigenen Demo mit Fahnen und in Blauhemden. Hier wurde nicht ein einziges mal auf “verfassungsfeindliche Symbole” oder Uniformierung hingewiesen und versucht, diese zu unterbinden. Dies zeigt uns, dass der neu entdeckte Verfolgungseifer offensichtlich dem Versuch geschuldet war, einen Vorwand für den Angriff auf die LL-Demonstration zu finden. Es erscheint uns daher gut begründet, von einem Angriff auf uns alle, nicht nur der FDJ, zu sprechen.

Wir sehen ein politisches Motiv hinter dem Angriff der Polizei auf die LL-Demo und letztlich auch auf unseren antifaschistisch-internationalistischen Block. Radikal linke Bewegungen, die sich auch in der Pandemiezeit kritisch zum bürgerlichen Staat und seiner Form der Pandemie- und Krisenbekämpfung im Sinne des Kapitals äußern, sollen so kriminalisiert werden.

Zur Unterstützung der Repressionsbetroffenen sammeln wir Spenden:

Spendenkonto:

Rote Hilfe e.V.
IBAN: DE55 4306 0967 4007 2383 17
BIC: GENODEM1GLS
Betreff: LL-Demo