Redebeiträge vom 28.11 – Gemeinschaftlicher Widerstand und Death in Custody

Vor knapp drei Wochen, wurde bundesweit zum dezentralen Aktionstag Solidarität mit den Betroffenen der Rondenbarg-Verfahren gezeigt. In 19 Städten gab es Kundgebungen, Demonstrationen und Banner Drops.
Allein in Berlin sind über 600 Menschen unter dem Motto „Fight Repression – United we Stand“ auf die Straße gegangen. Diese Solidarität gilt es weiter aufrecht zu erhalten.
In diesem Sinne veröffentliche wir die Redebeiträge von der Roten Hilfe Berlin und der Kampagne Death in Custody.

Redebeitrag Rote Hilfe:

Liebe Genoss*innen,

Der G20-Gipfel ist mittlerweile dreieinhalb Jahre her, Hamburg ist nach den „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ wieder aufgebaut.
Also alles vorbei – sollte man meinen.
Die juristische Aufarbeitung der legitimen und zu „den heftigsten Straßenschlachten der Hamburger Nachkriegsgeschichte“ herabgewürdigten Proteste gegen das Treffen der herrschenden Klasse ist aber noch lange nicht abgeschlossen.

Denn im Nachgang wurde eine unglaubliche Repressionswelle losgetreten.
Der autoritäre Wahnsinn nahm dabei schon mit den polizeilichen Ermittlungen seinen Lauf. Dafür wurden sämtliche liberalen, rechtsstaatlichen oder sonstigen Grundsätze über Bord geworfen. Öffentlichkeitsfahndungen wurden geschaltet, Denunzierungsplattformen eingerichtet und in einer beispiellosen Aktion wurden abertausende Stunden Videomaterial durch Gesichtserkennungssoftware gejagt.

Im Wettbewerb, wer rechtsstaatliche Prinzipien und Verhältnismäßigkeit am schnellsten über Bord wirft, will aber auch die Hamburger Justiz nicht abgehängt werden. Nach skandalös hohen Urteilen gegen vermeintliche Flaschenwerfer*innen, kam es im Juli 2020 zum Urteil gegen die im Angeklagten im Elbchausseeverfahren. Ein Genosse wurde zu drei Jahren Knast verurteilt, zwei Genossen zu Bewährungsstrafen, zwei müssen Sozialstunden ableisten. Dieses Urteil kam zustande, obwohl vier der fünf Aktivisten keine eigenhändige Straftat zugeordnet, sondern die bloße Teilnahme an dem Protestzug nachgewiesen werden konnte.

Am kommenden Donnerstag startet der Prozess im Rondenbarg-Verfahren, wegen dem wir hier heute sind. In diesem Massenprozess soll genau das Gleiche passieren:
Weil die Genoss*innen auf einer Demo waren, sollen sie verurteilt werden;
weil sie sich gemeinschaftlich dazu entschlossen haben, Widerstand gegen das widerwärtige Treffen der 20 mächtigsten kapitalistischen Staaten zu leisten, sollen sie bestraft werden. Um nichts anderes geht es.

Diesen unbedingten Verfolgungswillen der Hamburger Justiz bekommen die eingesetzten Polizist*innen nicht zu spüren. Sie konnten Knochen brechen, wahllos Demonstrant*innen verprügeln und wie wild Pfefferspray einsetzen ohne irgendeine Konsequenz zu befürchten. Diese Ereignisse beweisen ein weiteres Mal, dass die Klassenjustiz hier in der BRD keine Gerechtigkeit schafft und wie bisherige Urteile gezeigt haben, scheint es mittlerweile zu genügen, an einer Demo teilgenommen zu haben, um Menschen zu absurd hohen Strafen zu verurteilen.

Dagegen können wir nur unsere Solidarität setzen und verbündet den staatlichen Verfolgungsbehörden entgegentreten!
Wir werden die Genoss*innen nicht im Stich lassen!
Denn getroffen hat es Wenige, gemeint sind wir alle!
Lasst uns gemeinschaftlich Widerstand leisten!

Redebeitrag Death in Custody:
(https://deathincustody.noblogs.org/)

Liebe Genoss*innen,

ich grüße euch im Namen der Death in Custody Kampagne.
Nach mehr als drei Jahren beginnt das Rondenbarg Verfahren in Hamburg nächsten Donnerstag, am 3.11. Ein Verfahren, welches sich über Monate, wenn nicht gar Jahre hinziehen wird. Mehr als 80 Aktivist*innen haben in diesem Zusammenhang eine Anklage erhalten.

Unsere Anwesenheit heute Bundesweit auf den Straßen dient nicht nur dazu unsere Solidarität mit den Angeklagten zu bekunden, sondern auch um ein klares Signal zu senden, dass wir uns als heterogene linke und emanzipatorische Bewegung nicht durch Justiz und Polizei diskretisieren und kriminalisieren lassen.

Das Death in Custody Bündnis besteht seit Ende letzten Jahres aus verschiedenen antirassitischichen, migrantischen und antirepressions Gruppen und Einzelpersonen, vorwiegend aus dem Raum Berlin. Unser Schwerpunkt ist die Aufklärung und Bekämpfung systematischer rassistischer Polizeigewalt und deren sich wiederholen tödlichen Folgen. Seit 1990 sind mindestens 179 PoCs, Schwarze und von Rassismus betroffene in Gewahrsam oder Anwesenheit von Polizist*innen gestorben und teils auch erschossen und ermordet worden. Alleine für das Jahr 2020 sind bis jetzt schon 12 Fälle bekannt, darunter auch Ferhat Mayouf. Er starb bei einem Brand in seiner Zelle in der JVA Moabit. Auch viele weitere Menschen sind stetig von Gewalt betroffen, wie beispielsweise Menschen in psychischen Krisenzuständen, Obdachlose, Arme, Sexarbeiter*innen und Drogenutzer*innen. Bei Maria, welche im Januar in ihrer Wohnung in Friedrichshain von Polizisten erschossen wurde, endete es tödlich. Als Kampagne fordern wir die lückenlose Aufklärung der Todesfälle und dass der Staat, die Justiz, die Polizei und alle anderen beteiligten Behörden und Einzelperson zur Verantwortung gezogen werden. Das Töten und Sterben muss aufhören, jede Person, ist eine zu viel.

Wir sind jedoch nicht die ersten oder einzigen mit solchen Forderungen. 2005 wurde Oury Jalloh in Dessau von Polizisten ermordet. Auch seine Zelle brannte. Dass nach 15 Jahren der Name nicht in Vergessenheit geraten ist, liegt an der kontinuierlichen und beharrlichen Arbeit und Engagement der gleichnamigen Initiative. Ohne sie, wäre der Mord medial als Suizid durchgegangen und in Vergessenheit geraten. Trotzdem wurde bis jetzt nur der Dienstgruppenleiter verurteilt und zwar nur wegen fahrlässiger Tötung.

Weder Polizei, noch Justiz scheinen ein mehrheitliches Interesse daran zu haben, etwas gegen Polizeigewalt zu unternehmen. Dies ist auch nicht verwunderlich, den der Staat gibt sich als neutral und als unfehlbar. Das so viele Fachist*innen, Nazis und Rassist*innen, wie der NSU 2.0 oder die unzähligen Beamt*innen aus den ganzen rechten Chatgruppen, sich bei der Polizei wohl und unantastbar fühlen ist auch kein Zufall. Aber auch ohne Nazis bliebe der Polizei Apparat in seiner jetzigen Form tödlich. Fehlverhalten wird vertuscht und an dem Machtmonopol wird nicht geruckelt. Polizeigewalt ist kein Einzelfall sondern System.

Mit Forderungen und Bitten stoßen wir zum großteils auf taube Ohren. Nur durch vielfältige und stetige Arbeit kann genug Druck erzeugt werden, dass die Probleme nicht mehr ignoriert werden können. Um uns Gehör zu verschaffen muss der Protest divers und vielfältig sein. Das bedeutet natürlich auch nach Aktionen niemanden alleine zu lassen.

Ob bei den Protesten um G20 in Hamburg, 2017, oder bei den diesjährigen Demos um Black Lives Matter am Alexanderplatz, die Antwort der Polizei lautet Gewalt und Repression. Damit werden die Bewegungen diskreditiert, ebenso wie durch unverhältnismäßige gerichtliche Verurteilungen. Das dürfen und werden wir nicht so hinnehmen. Unsere Solidarität ist stärker als juristische Tatvorwürfe und polizeiliche Kriminalisierung.
Gemeinsam gegen rassistische und tödliche Polizeigewalt sein, heißt auch, Gemeinsam Widerstand gegen ihre Repression leisten.
No justice no Peace – Fight the Police