Jede Räumung hat ihren Preis

Gestern wurde in Berlin wieder mal ein Raum geräumt, der es Menschen seit nunmehr 20 Jahren ermöglicht hat, selbstbestimmt zu wohnen. Jetzt haben circa 50 Menschen ihr Zuhause verloren. Und wieder mal waren es die Interessen eines dubiosen Firmengeflechts, welche von 2000 Polizist:innen mit Gewalt durchgesetzt wurden.

Die Umstände sind zweifelhaft. Nicht nur, dass die Eigentumsverhältnisse immer wieder zwischen unterschiedlichen Briefkastenfirmen hin und her wechseln, die letztendlich alle Tochtergesellschaften der Berliner Sanus AG sind. Hinter den ganzen Briefkästen steht der Privatinvestor Siegfried Nehls. Dieser ist für seine betrügerischen Geschäftspraktiken bekannt. Unter anderem schuldet er der Stadt Zossen noch drei Millionen Euro an Steuern und hat diverse kleine Handwerksbetriebe um Geld betrogen.

Mit der gerne beschworenen „Rechtsstaatlichkeit“ hat auch das Urteil gegen den Köpi-Wagenplatz wenig zu tun: Ein Gutachter stellte zuletzt wenige Tage vor der gestrigen Räumung fest, dass die Unterschrift des Geschäftsführers der Startezia GmbH Yervand Chukhajyan auf der Prozessvollmacht für seine Anwälte möglicherweise gefälscht ist. Die Startezia GmbH ist eine von Nehls‘ Briefkastenfirmen. Den besagten Geschäftsführer hat bis heute niemand mit eigenen Augen gesehen. Dieser unterschrieb er in der Vergangenheit schon andere Vollmachten – allerdings mit anderer Handschrift.

All das hinderte die Berliner Polizei mal wieder nicht daran für drei Tage mit 2000 Bewaffneten und schwerstem Gerät in Kreuzberg aufzufahren, um die Bewohner:innen des Wagenplatzes zu räumen.
Schon am Donnerstag Abend wurde rund um die Köpi eine „Rote Zone“ errichtet. Am nächsten morgen wurde dann alles mögliche verwendet: Von Räumpanzern über Wasserwerfer, Baugerüste, Schilde und Speere. Schließlich konnte die Gerichtsvollzieherin gegen 11 Uhr den Wagenplatz betreten, bis alle Menschen vom Platz runter waren, dauerte es dann aber doch noch bis zum Nachmittag. Von den Festgenommenen wurde zu diesem Zeitpunkt keine:r in die Gefangenensammelstelle verbracht. Die Kundgebungen am Rande der „Roten Zone“ wurden von der Polizei angegriffen, im Internet kursieren Videos, welche teils massive körperliche Gewalt gegen Demonstrant:innen zeigen.

Die Antwort auf diese erneute Räumung für das Kapital folgte am Abend. An der „Tag X“ Demonstration durch Kreuzberg beteiligten sich mehrere Tausend Personen. Die Polizei war von der Größe und Dynamik der Demonstration trotz des Großaufgebots offenbar überfordert. Und, wie zu erwarten, fiel den Polizist:innen keine andere Antwort ein, als massive Gewalt.

„Polizist:innen haben sich teils minutenlang mit den Knien auf die Köpfe von Festgenommenen gesetzt, während ihre Kolleg:innen ihnen mit gepanzerten Handschuhen in die Seite schlugen.“ Scheinbar sind sie frustriert, darüber, dass der Abend nicht so gelaufen ist, wie sie das gerne gehabt hätten.“ berichtet Alex Schneider, Sprecherin der Roten Hilfe Berlin.

Außerdem wurde eine Kreuzberger Eckkneipe, in der wohl Demoteilnehmer:innen vermutet wurden, von einem Trupp Behelmter Polizist;innen gestürmt und komplett zerlegt. Zufällig anwesende Gäste mussten teilweise aus den Fenstern springen, um sich in Sicherheit zu bringen.

Wir als Rote Hilfe Berlin verurteilen die Polizeigewalt und sind solidarisch mit allen Menschen, welche gegen die Räumung des Köpi Wagenplatz und eine Stadtpolitik der Verdrängung zu Gunsten von kapitalistischen Eigentumsinteressen Widerstand geleistet haben.

Allen, die Repression erfahren haben, bieten wir solidarische Unterstützung. Wir laden alle Betroffenen dazu ein, sich bei uns zu melden und zu unseren Sprechstunden zu kommen.