Redebeitrag zur Gegenkundgebung gegen den Polizeikongress am 04.05

Am 04.05.23 haben sich ca 30 Menschen am O-Platz versammelt um gegen den Polizeikongress zu protestieren und an all die Gewalt zu erinnern, die Menschen durch die Polizei tagtäglich erfahren. Hier ist unser Redebeitrag. Zusätzlich gab es am 06.05 eine ganztätige Veranstaltung mit dem Theman „Abolitionismus Jetzt! Aber wie?“. Mehr Infos dazu findet ihr hier: https://www.ihrseidkeinesicherheit.org/abolitionismus-jetzt/


Liebe Genoss:innen und liebe Mitstreiter:innen,
ich grüße euch im Namen der Rote Hilfe Berlin!

Während Polizei, Politik, Rüstungs- und Überwachungsindustrie sich auf dem europäischen Polizeikongress vernetzen und an mehr Kontrolle, besserer Ausrüstung und noch mehr Befugnissen arbeiten, haben wir uns hier am Mahnmal für die Opfer von Rassismus und Polizeigewalt versammelt, um erneut unsere Stimme und unsere Fäuste gegen die systematische, alltägliche und häufig tödliche Polizeigewalt zu erheben.

Am 24. Januar 2020 wurde Maria B. in Friedrichshain in ihrer eigenen Wohnung von Polizist:innen erschossen.
Im selben Jahr am 23. Juli verbrannte Ferhat Mayouf in seiner Zelle in der JVA-Moabit.
Am 27. Juli 2022 stirbt der Obdachlose Marcel an seinen Verletzungen, nachdem Berliner Bullen ihn in Schöneweide vertrieben und verprügelt haben.
Am 06. Oktober im selben Jahr stirbt der 64 Jahre alte Medard Mutombo an seinen Verletzungen nach einem Polizeieinsatz in einem Wohnheim für seelisch und psychisch versehrte Menschen in Spandau.
Und vor nicht mal einem Monat, am 11. April 2023, wurde Vitali Novacov nach einem Polizeieinsatz in Königs Wusterhausen hirntot ins Klinikum Neukölln gebracht. Einen Tag später wurden die lebenserhaltenden Geräte abgestellt.

Das sind nur einige der uns bekannten Todesfälle aus Berlin und Umland seit 2020. Alleine aus Berlin sind uns insgesamt mindestens 10 Menschen bekannt, die durch Polizei- und Knastgewalt gestorben sind.
Bei allen Fällen wurden die verantwortlichen Beamt:innen erst gar nicht belangt oder wegen angeblicher Notwehr schnell freigesprochen. Oft übernimmt die Presse die Meldung der Polizei, ohne diese in Frage zu stellen. Aus den Toten werden „aggressive“ und „verrückte“ Karikaturen gebastelt, um so eine Täter-Opfer-Umkehrung rechtfertigen zu können.
Wahre Konsequenzen hat es weder für einzelne Bullen gegeben geschweigedenn den Repressionsapparat insgesamt.

Dass uns die Namen dieser Toten bekannt vorkommen, ist kein Zufall. Bei allen fünf Todesfällen gab oder gibt es noch heute Familie, Freunde, Genoss:innen oder Gruppen, wie zum Beispiel die KOP, Reach Out, Death in Custody oder Criminals for Freedom, die öffentlich das polizeiliche Narrativ in Frage stellen und die Ungereimtheiten und Lügen offenlegen.

Es ist wichtig, dass wir strömungsübergreifend zusammenarbeiten und gemeinsam gegen Polizeigewalt vorgehen.
Durch Öffentlichkeitsarbeit, auf der Straße oder andere Aktionsformen. Denn wer die Polizeiarbeit konsequent hinterfragt, muss ab einem gewissen Punkt feststellen, dass es keine Einzelfälle sind, die wir hier aufarbeiten müssen.

Der jetzige Polizeiapparat ermöglicht rassistische und antiziganistische Gesetze und Übergriffe durch Abschiebungen und Racial-Profiling.
Er hält die lebensgefährliche Ungleichverteilung des Kapitals aufrecht und schützt lieber Eigentum und Grenzen als Menschenleben.
Er verschlimmert soziale Probleme, für die er selbst verantwortlich ist und bietet nur Lösungen an, die mit Tasern und Schlagstöcken durchgeprügelt werden sollen.

Machen wir uns nichts vor:
Ohne Druck von allen Seiten wird sich daran wenig bis gar nichts ändern. Die Repressionsorgane wollen ihre eigene Legitimität, ihre Position und Macht schützen und ausweiten, indem sie Proteste und Gegendarstellungen kriminalisieren und bekämpfen.
Die Programmpunkte beim diesjährigen europäischen Polizeikongress, wie zum Beispiel „Neues EU-Grenzmanagement: eine polizeiliche Gemeinschaftsaufgabe“ oder „Gesichtserkennung – best practise in der Polizei“ sprechen Bände und machen es überdeutlich.

Lassen wir uns von den Bullen, der Justiz und ihrer unmenschlichen Politik nicht spalten. Wenn die Repression versucht, einzelne Menschen zu treffen, sind wir alle gemeint. Solltet ihr Polizeigewalt erleben oder am eigenen Leib erfahren, versucht darüber mit euren Genoss:innen und Gefährt:innen zu reden und den Schmerz und die Wut zu teilen.
Lasst euch nicht einschüchtern, kommt in unsere Sprechstunden und denkt vor allem immer daran:
Wir machen keine Aussagen bei Polizei und Staatsanwaltschaft!

Als Antirepressionsorganisation wollen wir solidarisch mit allen Menschen sein, die für eine andere Gesellschaft und für die Überwindung und Abschaffung der repressiven Unterdrückung kämpfen.

Maria B., Ferhat Mayouf, Marcel, Medard Mutombo, Vitali Novacov und all die anderen Opfer tödlicher Polizeigewalt wollen wir dabei niemals vergessen!