Der § 129 b – Ein weiteres Kampfmittel gegen die migrantische Linke und die internationale Solidarität

von der Roten Hilfe OG Magdeburg

Unter dem Deckmantel des weltweiten »Kampfes gegen den Terrorismus« wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 neben vielen weiteren Einschränkungen der Bürger*nnenrechte der Paragraf 129b in das politische Strafrecht eingeführt. Seit dem 1. September 2002 sind demnach Organisationen, die im Ausland agieren und von staatlicher Seite als kriminell oder terroristisch eingestuft werden, in der BRD nach den §§ 129 zu verfolgen. Von den Charakteristika unterscheidet er sich hinsichtlich polizeilicher Ermittlungsmethoden und -befugnissen nicht vom § 129a. Er basiert in jeder Hinsicht auf den bereits beschriebenen §§ 129, stellt jedoch eine nicht zu unterschätzende Perfektionierung im Sinne der Repressionsorgane dar. Vor der Einführung des neuen Gesetzes war es den Repressionsbehörden zwar auch schon möglich, mit den Vereinigungsparagrafen gegen migrantische Strukturen vorzugehen, wovon hauptsächlich türkische und kurdische Genoss*nnen betroffen waren und sind. So sind auch heute schon die meisten 129a-Gefangenen in der BRD migrantische Linke. Der Paragraf 129b erleichtert jedoch die Kriminalisierung von internationalistischer (Solidaritäts-) Arbeit, da nicht mehr nachgewiesen werden muss, dass die jeweilige Organisation auch im Inland besteht. Des Weiteren muss eine direkte Beteiligung an strafbaren Handlungen im Ausland nicht nachgewiesen werden, wenn von einer Mitgliedschaft ausgegangen wird.

Dementsprechend sind neben einigen islamistischen Organisationen hauptsächlich linke Strukturen von dem neuen Paragrafen betroffen: Von den 27 Ermittlungsverfahren nach § 129b, die im Jahr 2007 gegen Organisationen eingeleitet wurden, richteten sich 11 gegen linke Gruppierungen, nämlich sieben gegen die TKP/ML, drei gegen die DHKP-C und eines gegen die PJAK (Partei für ein freies Leben in Kurdistan). Vorwand waren jeweils angebliche »terroristische Vereinigungen«, die innerhalb der Parteien existieren sollen.

Im Fokus stehen insbesondere die »Sympathiewerbung« sowie das Sammeln von Spendengeldern für die kriminalisierten Organisationen. Informations- und Öffentlichkeitsarbeit, die positiv auf diese Gruppierungen Bezug nimmt, oder die finanzielle Unterstützung von Aktivitäten, die ihnen in irgendeiner Form zugute kommen können, werden damit zur Zielscheibe staatlicher Verfolgungswut.

Hintergrund

Bereits im Jahre 1999 lag ein entsprechender Vorentwurf beim Bundesjustizministerium vor, der auf Vorschlag des »Rates der Innen- und Justizminister der EU« entworfen wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch Einschränkungen der BürgerInnenrechte in diesem Umfang nicht durchsetzbar. Dies änderte sich mit dem 11. September 2001, welcher insofern eine Bedeutung für die Einführung des § 129b hat, dass er die Grundlage bildete, jegliche Gesetzesverschärfungen im Bereich der »Inneren Sicherheit« unter dem Vorzeichen des internationalen »Kampfes gegen den Terrorismus« zu legitimieren. Weltweit wurde im Zuge des 11. September 2001 die »Chance« genutzt, auf internationaler Ebene Gesetzesverschärfungen, deren Entwürfe schon lange Zeit vorher in den Schubladen lagerten, ohne großen Widerstand durchzusetzen und anzugleichen. Die Erweiterung der §§ 129, welche schon 1999 von der EU diskutiert wurde, muss in diesem Zusammenhang gesehen werden.

Seit der Einführung des § 129b in das politische Strafrecht gab es bis dato mehr als 150 Ermittlungsverfahren in diesem Zusammenhang. Er dient – wie die §§ 129 – in der Praxis hauptsächlich der Ausschnüffelung und Einschüchterung von politischen Strukturen. Die Methoden der polizeilichen Ermittlungen sind die gleichen. Bisher sind die wirklichen Auswirkungen des §129b schwer absehbar. Der erste Prozess gegen eine revolutionäre Organisation aus dem Ausland, die türkische DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) läuft derzeit in Stuttgart Stammheim. Der Ausgang des Verfahrens gegen die fünf Angeklagten wird maßgeblich sein für die folgenden Prozesse.

Der Prozess endete für die Betroffenen mit Haftstrafen zwischen 4 Jahren 9 Monaten und 6 Jahren (Erklärung der RH hier). Ähnlich hohe Haftstrafen wurden inzwischen unter Anderem auch gegen Genoss*innen wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der TKP/ML und der PKK verhängt Die Einschätzung der OG Magdeburg hat sich inzwischen also leider bewahrheitet. Aktuelle Infos zur Repression gegen Kurd*innen in Deutschland gibts beim Rechtshilfefonds azadi

Anmerkung der OG Berlin März 2021

Wichtiger Bezugspunkt »Schwarze Listen«

Die ebenfalls im Zuge des 11. September 2001 geschaffenen so genannten »Terrorlisten« von EU und USA beruhen nicht auf rechtsstaatlichen Prinzipien, sondern gehorchen politischen Spielregeln. Personen und Organisationen, die auf diesen Listen geführt werden, gelten als »terroristisch« mit allen dazugehörigen repressionstechnischen Konsequenzen (z.B. §§ 129/a/b-Verfahren). Der terroristische Charakter einer Gruppierung muss in aktuellen Verfahren nicht mehr nachgewiesen werden: Sobald eine Organisation auf besagten Listen steht, ist sie »terroristisch«. Auch ihre sämtlichen Bankkonten und ähnliches werden in Europa und den USA eingefroren. Betrachtet mensch die Listen näher, wird schnell deutlich, zu wessen Bekämpfung sie geschaffen wurden. Neben einigen islamistischen Vereinigungen findet mensch fast ausschließlich revolutionäre Organisationen wie FARC in Kolumbien, PFLP in Palästina, DHKP-C und PKK in Türkei/ Kurdistan, ETA im Baskenland usw.

Der § 129b, ebenso die »Schwarzen Listen«, sind wie schon die §§129/a neue Mittel einer präventiven Konterrevolution der Herrschenden. Sie müssen durch uns Linke als solche auch benannt und bekämpft werden.

In diesem Sinne:
Unterstützt die von Repression Betroffenen!
Kampf der Klassenjustiz!

Anmerkung der RH OG Berlin: Der Text erschien ursprünglich im Jahr 2009 hier