Bericht vom Auftakt des Berufungsprozesses Skalitzer Straße

Am 03.12.2020 fand der Berufungsprozess gegen das Urteil in den Skalitzer-Prozessen vom 16.09.2020 statt (ausführlicher Prozessbericht). Die Angeklagte ist damals in Berufung gegangen, verhandelt wurden 9 Monate auf Bewährung wegen gemeinschaftlichem Widerstand und tätlichem Angriff plus 800 Euro Geldstrafe.

Die Verhandlung beginnt mit der Verlesung des Urteils und einem amüsierten Kommentar der Richterin über die im Urteil beschriebene „Schnappbewegung des Unterschenkels“, sie hätte lange über diesen Ausdruck nachgedacht und sich schlussendlich dazu entschieden, dass es sich wohl um einen Tritt gehandelt haben müsse. Dann eine erstaunliche Erklärung: die Richterin habe im Vorfeld der Verhandlung einen „Antrag zur Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes“ von den Bullen erhalten, da die „linksextremistische Szene“ Prozessbegleitung angekündigt habe, und dies gefährde weitere Diensteinsätze. Sie lehnte diesen Antrag ab, woraufhin ein neuer Antrag einging; man wolle wenigstens nicht vor dem selben Saal warten müssen. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt.

Und trotzdem: von den 3 Bullenzeugen (von denen alle drei auch schon im Prozess 2019 ganz ohne Verkleidung ausgesagt haben) erschien der dritte mit – kein Scherz – brauner Perücke, großer Brille, Make-Up und Wachhund in Form eines genervt wirkenden Typen mit Bommelmütze und eines wichtig aussehenden Mannes im Trenchcoat. Letzterer, der wohl als Unterstützung im Gerichtssaal angedacht war (wohingegen Bommelmütze nur Draußen mit warten durfte) hat ob seines vermutlich hohen Dienstranges so gar nicht mit der Konsequenz der Richterin zur Durchsetzung der Corona-Regeln gerechnet. Der Saal war nämlich leider schon voll, und wo er noch hochnäsig seinen Bullenkollegen vorgeschickt hat, um „das mal zu regeln“, wurde er dann zwei Mal des Saales verwiesen und musste traurig und gar nicht mehr so autoritär abdackeln.

Zurück zu 00Schneider in Perücke: die Richterin zeigte sich nach Bestandsaufnahme seiner Daten verwundert über seine Verkleidung und untersagt sie ihm erneut, woraufhin er entgegnete, er habe Weisung erhalten und würde sich dementsprechend weigern, diese abzulegen. Die Richterin weist ihn darauf hin, dass es sich bei der Weigerung um eine „Ungebühr“ nach Parapraph 178 GVG halten würde. Er insistierte und gab an, eine eingeschränkte Aussagegenehmigung zu haben, die der Richterin offenbar noch nicht vorlag. Sie erhielt diese daraufhin und liest sie auch vor; ausgestellt wurde sie von der Direktion Einsatz/Verkehr und es wird auf Paragraph 37 Absatz 4 des Beamtenstatusgesetzes verwiesen. Scheinbar wird der 22jährige, der – zumindest damals – Teil der 22. Einsatzhundertschaft war, inzwischen als verdeckter Ermittler (vermutlich als ziviler Tatbeobachter der Hundertschaft) eingesetzt, was auch seine Wachhundeskorte erklären würde. Die Richterin kündigt jedenfalls an, die Rechtmäßigkeit dieser Einschränkung zu überprüfen – es bleibt also spannend.

Zu Beginn erklärten die Anwält_innen der Angeklagten, dass diese keine Aussage machen wolle. Anschließend verlas die Angeklagte ihre Prozesserklärung. Es folgte eine sehr detaillierte Sichtung des Videomaterials und die Befragung der Bullen, die aus Zeitgründen jedoch nicht zuende geführt werden konnte und am nächsten Verhandlungstag erfolgen soll, wo dann eventuell auch ein Urteil gesprochen wird. Nach dem Urteil wird noch ein ausführlicher Prozessbericht folgen. Vorab wollen wir aber erwähnen, dass die Richterin sich über Polizeigewalt empört und den Hauptbelastungszeugen außergewöhnlich lange selbst befragte. Wir laden hiermit herzlich die „linksextremistische Szene“ dazu ein, zahlreich zu erscheinen am 10.12.2020 um 9 Uhr, (bis jetzt) Saal Nummer 621. Nicht nur, um sich solidarisch mit der Angeklagten und allen von Repression Betroffenen zu zeigen, sondern auch um die Trenchcoatträger fernzuhalten und einen Blick auf die neuesten Perückentrends werfen zu können. Einen Überblick zu den vergangenen Prozessen findet ihr unter www.soligruppeskalitzer.noblogs.org

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