Die blutige Fahne von Rojava

Polizeigewalt auf Demonstration gegen das Fahnenverbot am 17.06.2017 in Berlin

Pressemitteilung von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. vom 17.06.2017

Rund 500 Personen nahmen heute an der Demonstration mit dem Motto „Solidarität mit Rojava und Shengal – Gegen die Kriminalisierung der PYD, YPG und YPJ“ in Berlin teil. Die bis dahin friedlich verlaufende Demonstration wurde überschattet von gewaltsamen Angriffen der Polizei auf die Teilnehmer kurz vor Ankunft am Abschlussort der Demonstration. Zwei Demonstranten wurden dabei verletzt und mussten im nahgelegenen Bundeswehrkrankenhaus behandelt werden. Mehrere Demonstrationsteilnehmer wurden festgenommen.

Zu der Demonstration hatte die Deutschlandvertretung der Partei der Demokratischen Einheit (PYD) aus Rojava/Nordsyrien aufgerufen, um gegen das vom Bundesinnenministerium am 2. März erlassene Symbolverbot zu protestieren, das unter anderem ihre Partei sowie die Fahnen der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten der YPG und YPJ umfasst.

Doch auch die angemeldete Demonstration wurde von der Polizei mit scharfen Auflagen belegt. So heißt in dem Auflagenbescheid der Polizei u.a.: „Das Werben für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sowie deren Nachfolge- und Terrororganisationen in Wort, Schrift oder Bild wird untersagt. Kennzeichen, Symbole oder Embleme dieser Organisationen sowie Bilder des Vorsitzenden Abdullah Öcalan dürfen weder auf Fahnen, Transparenten noch sonst mitgeführt werden Dies gilt gleichermaßen für Kennzeichen, Symbole oder Embleme der im Thema genannten Organisationen Demokratische Einheitspartei (PYD), Volksverteidigungseinheiten der PYD (YPG) und kämpfende Frauen-Einheiten der PYD (YPJ).“

Und so wurde bereits zu Beginn der Demonstration der Ort der Auftaktkundgebung von zahlreichen Polizisten umzingelt. Zahlreiche für verboten erklärte Fahnen, die von den Demonstranten mitgeführt wurden, sind von der Polizei beschlagnahmt worden. Trotz der Repressionen der Polizei waren immer wieder auf der Demonstration Fahnen der YPG und YPJ zu sehen. Die Polizei stoppte daraufhin mehrfach die Demonstration, bis die „verbotenen Symbole“ verschwanden. Kurzzeitig kam es während der Demonstration zu Unruhen, als die Polizei einen Demonstranten aus dem Demonstrationszug heraus festnahm. Die Polizei legte der Person Handschellen an und stellte ihre Identität fest, wonach ein Platzverweis erteilt wurde und der Demonstrant wieder freikam. Auch kam es mehrfach während der Demonstration zu Provokationen türkischer Faschisten, welche die Teilnehmer mit sexistischen und nationalistischen Beschimpfungen attackierten. Während die Polizei diesen Angriffen im Allgemeinen tatenlos zusah, war es der Besonnenheit der Demonstrationsleitung zu verdanken, dass es bei diesen Ereignissen zunächst zu keiner Eskalation der Lage kam.

Dafür sorgte allerdings die Polizei, als sie kurz vor Abschluss der Demonstration an der U-Bahn Haltestelle Schwartzkopffstraße unvermittelt in die Demonstration eingriff, um Personen festzunehmen. Es kam darauf zu tumultartigen Szenen. Die Polizei griff mit Pfefferspray und Schlagstockeinsatz die Demonstranten an.  Mindestens zwei Demonstranten wurden dabei verletzt. Ein Videoausschnitt, das in den Sozialen Medien kursiert, zeigt, wie ein Polizist mit voller Gewalt mitten auf den Schädel eines Demonstranten einschlägt, woraufhin dieser blutüberströmt am Boden liegen bleibt. Berichten zufolge sollen bei den Ereignissen bis zu sieben Demonstranten festgenommen worden sein. Augenzeugen berichten von einem völlig unnötigen Gewalteinsatz der Polizei, als die Demonstration im Begriff war sich aufzulösen.

Auf eine Anfrage der Linkspartei im Bundestag drückte sich die Bundesregierung zuletzt noch davor, von einem bestehenden allgemeinen Verbot der Symbole der YPG und YPJ zu sprechen. Vielmehr hänge ein Verbot davon ab, in welchem Zusammenhang die Symbole öffentlich gezeigt würden1. Die heutige Demonstration hat allerdings unter Beweis gestellt, dass wir von einem de-facto Verbot der Symbole der PYD, YPG und YPJ in Deutschland sprechen können, auch wenn sich die Bundesregierung aufgrund des möglichen öffentlichen Drucks davor scheut, dies offen als Solches zu bezeichnen. Mit der Kriminalisierung derjenigen Strukturen und politischen Akteure, die derzeit vor den Toren von Rakka gegen den IS kämpfen, schadet die Bundesregierung dem internationalen Kampf gegen den sog. Islamischen Staat. Die Bilder von der heutigen Demonstration sind Ausdruck dieser Absurdität.

Das vom Bundesinnenministerium erlassene Symbolverbot stößt in breiten Kreisen der Gesellschaft auf Kritik und Ablehnung. Die “Plattform Solidarität mit der Föderation Nordsyrien/Rojava” hatte in einer offenen Erklärung Anfang Juni u.a. erklärt, “In den Reihen der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), in denen YPG und YPJ die stärkste Kraft sind, kämpfen Kurden, Araber, Aramäer, Assyrer, Turkmenen, Armenier, Tschetschenen, Tscherkessen, Muslime, Christen und Êzîden Seite an Seite mit Unterstützung der Anti-IS-Koalition gegen die Terrororganisation IS. Ihr Zusammenhalt, ihre Moral sollten die Grundlage für die Zukunft Syriens und des Mittleren Ostens sein!” und sich gegen eine Kriminalisierung der YPG und YPJ gestellt. Diese Erklärung wurde von zahlreichen Akademikern, Künstlern und weiteren Personen des öffentlichen Lebens mitunterzeichnet.