Berliner Polizei rüstet auf – Taser bald auch gegen Aktivist*innen?

Seit Montag, den 06. Februar 2017, werden in Berlin die umstrittenen Elektroschock-Distanzwaffen, auch bekannt als „Taser“, von zwanzig Beamten im Streifendienst getestet. Der Einsatz erfolgt zunächst in zwei Einsatzbereichen in Berlin Mitte und Kreuzberg. Er läutet eine dreijährige Testphase der bei den Berliner Spezialeinheiten (SEK) bereits seit 2001 und in anderen Bundesländern ebenfalls bei SEK bereits gebräuchlichen Waffe im alltäglichen Streifendienst ein. Nach Ende des Testlaufs soll entschieden werden, ob der Taser zur Standardausrüstung der Berliner Polizeibeamt*innen gehören wird.
Aus Elektroschock-Distanzwaffen können Metallpfeile bis zu zehn Meter weit abgefeuert werden. Die Pfeile sind mittels Drähten mit dem Gerät verbunden und übertragen kurzzeitig eine Spannung von bis zu 50.000 Volt auf die Zielperson. Dadurch wird es den Beamten ermöglicht, Personen kurzzeitig außer Gefecht zu setzen und zu überwältigen. In anderen Ländern wie den USA, werden Taser bereits standardisiert verwendet und führten schon mehrfach zu Todesfällen. Gerade für gesundheitlich angeschlagene Menschen kann der Einsatz einer solchen Waffe tödlich enden.

Die Berliner Polizei soll großflächig ein weiteres effektives Mittel erhalten, um Menschen schnell in ihre Gewalt zu bringen. Die angepriesene Effizienz sowie die Verharmlosung der Elektroschock-Distanzwaffen dürfte Beamt*innen trotz zusätzlicher Schulungen zum vermehrten Einsatz einladen. Das bedeutet eine erneute Verschärfung polizeilicher Maßnahmen in der Hauptstadt. Eine Tatsache, die dem rot-rot-grünen Senat und seiner politischen Indifferenz zu verdanken ist.Denn gefordert hatte die Einführung des Tasers niemand anderes als der ehemalige Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) während des Wahlkampfes zum Berliner Abgeordnetenhaus im vergangenen Herbst. Henkel fungierte als Spitzenkandidat und hatte die innere Sicherheit Berlins zu seinem zentralen Wahlkampfthema auserkoren – mit besonderem Augenmerk auf linke Aktivist*innen, gegen die er rigoros vorgehen ließ. Er ließ ein sogenanntes „Gefahrengebiet“ mit verstärkter Polizeipräsenz und willkürlichen Personenkontrollen rund um das umstrittene Hausprojekt in der Rigaer Straße 94 im Bezirk Berlin-Friedrichshain ausrufen. Höhepunkt dieser verschärften Maßnahmen war die durch den Innensenator mittels Polizeikräften unterstützte Räumung der Kneipe „Kadterschmiede“ zum Zweck der Renovierung durch den Eigentümer in der Rigaer Straße 94. Aufgrund eines fehlenden Räumungstitels seitens des Besitzers der Immobilie stellte sich die Aktion als widerrechtlich heraus. Politisch ein schwerer Schlag für den Innensenator, der sich davon jedoch zumindest öffentlich nicht beeindrucken ließ. Mit der Forderung nach der Ausstattung der Berliner Polizei mit Tasern läutete Frank Henkel eine weitere Phase seines Wahlkampfes ein und setzte populistisch noch einen obendrauf. Der Vorschlag wurde damals von den anderen Parteien als reines Wahlkampfgetöse bewertet. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) signalisierte, dass es unter seiner Regierung keinesfalls zum Einsatz von Tasern im Berliner Streifendienst kommen werde.

Sowohl die Grünen als auch Vertreter der Partei DIE LINKE warfen Henkel ein reines Wahlkampfmanöver vor. Umso erstaunlicher, dass Henkels umstrittener Plan unter Müllers rot-rot-grüner Regierung nun nicht etwa verworfen, sondern stillschweigend in die Tat umgesetzt wird.
Nach der Affäre um Andrej Holm ist dies bereits die zweite kritikwürdige Entscheidung des Berliner Senats ohne entscheidenden Protest durch die Abgeordneten der Partei DIE LINKE. Die Rote Hilfe e.V. spricht sich vehement gegen den geplanten flächendeckenden Einsatz der Elektroschock-Distanzwaffen im Berliner Streifendienst aus und ruft zum Protest gegen die weitere Aufrüstung des Polizeiapparates auf.
Es ist offensichtlich, dass Berlin als Hauptstadt hierbei eine Vorreiterrolle einnehmen soll. Bereits der Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei, der auf  Demonstrationen der linken und sozialen Bewegungen inzwischen bundesweit zum Alltag geworden ist, kann für Menschen mit Atemwegserkrankunngen tödlich enden und gehört unverzüglich verboten.
Die Ausrüstung dergleichen Polizeikräfte geht in die völlig falsche Richtung. Die letzten Jahre haben eines eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Wenn die Berliner Polizei geschult und aufgerüstet werden muss, dann in Deeskalation und Sozialkompetenz.Heiko Lange
für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.